Väter und die Wissenschaft

Väter „gehen die Kinderbetreuung lässiger und spontaner an“, sagt die Züricher Professorin Ulrike Ehlert auf der Seite www.vaterumfrage.org und möchte damit Väter motivieren an einer Onlinebefragung teilzunehmen. Die Aussagen von Professorin Ehlert beruhen auf „bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen“ bestätigt mir eine Studienmitarbeiterin auf Nachfrage. Ziel der Befragung sei es, so Ehlert weiter auf der Seite, „das gesellschaftliche Bewusstsein für die Vaterrolle zu schärfen“. Für welche der vielen möglichen Vaterrollen das gesellschaftliche Bewusstsein geschärft werden soll, entscheiden die Initiator_innen der Studie dabei vorweg.

„Die aktuellsten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Interaktion zwischen Mutter und Kind eine qualitativ andere ist als die zwischen Vater und Kind. Bei der Mutter stehen Sicherheit, Behütung und Geborgenheit im Vordergrund. Bei Vätern erkennt man einen Trend, dass sie ihre Kinder mehr herausfordern.“, sagt die ebenfalls an der Studie beteiligte Barbara Supper, Psychologin an der Uni Wien, in einem Interview auf orf.at.

Väter unterscheiden sich nun mal von Müttern. Und das ist auch gut so. So die Vorannahme der Studie. Dass sich Väter und Mütter vor allem darin unterscheiden, dass die einen die ganze Care-Arbeit machen und die anderen nicht oder nur kaum, davon ist an keiner Stelle die Rede. Und dass es damit zusammenhängen könnte, dass die einen lässiger und spontaner sind als die anderen, wird auch nicht erwähnt. Ein Vater, der das eigene Kind nicht ins Bett bringt, kann es sich leisten noch kurz vor dem Schlafengehen spontan und lässig mit dem Kind zu toben. Den Stress das Kind zu beruhigen und zum Einschlafen zu bringen, hat dann ja die Mutter.

Ähnliches will auch die Plattform Ernährung und Bewegung e.V. herausgefunden haben. Väter seien risikofreudiger im Umgang mit ihren Kindern. Nach eigener Einschätzung würden Väter „ihr Kind oft ermuntern, beim Spielen im Freien (wie Klettern oder Springen) mutig zu sein und sich mehr zuzutrauen.“ Wieder kein Wort darüber, dass es einfacher ist mit Kindern „wild“ zu spielen, wenn es eine andere Person gibt, die nachher die Kinder tröstet, wenn sie sich die Knie aufgeschlagen haben. Die „peb-Studie“ geht sogar noch einen Schritt weiter:

„Doch Bewegung impliziert Loslassen und Fortbewegung, also eine Lockerung der Bindung, die jedoch oftmals gefürchtet wird, denn ein Kind, das sich frei bewegt, wird schneller selbstständig. Bewegungsförderung von Kindern bedeutet also vor allem auch Nachhilfe für Eltern in Sachen Abwägen zwischen Sicherheitsdenken und Lerngelegenheit. In diesem Punkt scheinen die Väter einen Schritt voraus zu sein.“

Dass sich Väter weniger um ihre Kinder kümmern, wird positiv umgedeutet von einer ungerechten Rollenverteilung und Verweigerung der Verantwortungsübernahme hin zu einer vermeintlichen Förderung zur Selbstständigkeit.

Väter unterscheiden sich nun mal von Müttern. Ohne Hinweise, woran das liegen könnte, handelt es sich damit weniger um eine wissenschaftliche Erkenntnis als vielmehr um Politik. Es handelt sich dabei um die Förderung einer ganz bestimmten Vaterrolle. Um die Förderung einer Vaterrolle, die sich von der Mutterrolle unterscheidet, und zwar insofern unterscheidet, dass mit ihr nicht so viel Verantwortung verknüpft ist und die letztendlich dazu führt, dass die überwiegende Care-Arbeit weiterhin wie selbstverständlich auf die Mütter abgeschoben werden kann.

 

(Bei feministmum findet sich schon eine treffende Kritik an dem Interview auf orf.at.

Über die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Politik und darüber, wann Wissen im Kontext von Eltern-sein und Geschlechterrollen als wahr und wichtig und wann als falsch und/oder gefährlich gilt, wurde bei den fuckermothers bereits Spannendes geschrieben.)

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