„Wer über Sex schreibt, macht sich verletzlich“

„Wer über Sex schreibt, macht sich verletzlich“, schreibt Margarete Stokowski in ihrer auch sonst sehr lesenswerten taz-Kolumne Luft und Liebe vor ein paar Wochen. Und weiter: „Wer über schiefgelaufenen, merkwürdigen, unbeblümten Sex schreibt, noch mehr. Das gibt es von Männern nicht. Nicht in der Form, wie es das von Frauen gibt.“

Tatsächlich fallen mir kaum gute Texte zu dem Thema aus männlich-heterosexueller Perspektive ein. Zumindest keine halbwegs ernsthaften Texte. Schon gar nicht als persönliche Reflexion. Und nicht mit einem feministischen Anspruch – wie auch immer der in dem Zusammenhang dann im Detail aussehen mag. Das Fehlen einer ernsthaften und offenen Auseinandersetzung ist doch recht erstaunlich. Besonders aufgrund der viel zitierten medialen Allgegenwärtigkeit von Sex.

Nicht nur in Fernsehen, Werbung und Internet spielt Sex eine große Rolle, auch durch mein persönliches Leben zieht sich das Thema. Dass das alles mit der Vereinbarkeit von Kinder/Familie und Liebesbeziehung/Sex nicht so einfach ist, hab ich schon in meinem letzten Text auf ZEIT Online beschrieben.

Das Private ist politisch. Und Sex ist meistens eine recht private Angelegenheit. Damit es zu einer halbwegs politischen Auseinandersetzung kommen kann, bräuchte es die Bereitschaft auch von (heterosexuellen) Männern, ihre Perspektive auf das Thema zur Diskussion zu stellen. Ich weiß nicht, ob ich mich traue, mehr darüber zu schreiben, aber es gäbe mehr als genug Aspekte und Fragen, die eine Reflexion und/oder Diskussion wert wären.

Nur ein paar Beispiele für spannende Fragen:

  • Ich habe mich für Elternschaft ohne Sex und Liebesbeziehung entschieden. Inwiefern verändert das nicht nur den Blick auf Elternschaft, sondern umgekehrt auch meinen Blick auf Sex und Liebesbeziehung?
  • Unter dem bereits erwähnten Text auf ZEIT Online wurde unter anderem angemerkt, dass „die (neue) Liebesbeziehung schon eine gewisse Tiefe und Reife erreicht haben muss, bevor die Kinder damit konfrontiert werden sollten“. Ich glaube, dass es gegenüber Kindern irgendwie eher um sowas wie Authentizität geht als um Tiefe und Reife. Dennoch stelle ich mir natürlich die Frage: Wie und in welcher Form möchte ich eigentlich, dass meine Kinder von meinen Liebesbeziehungen mitbekommen?
  • Ich habe schon länger keine festere, dauerhaftere von „Tiefe und Reife“ geprägte Liebesbeziehung geführt. Wie verändert das den Blick auf Sex? Und was ist eigentlich davon zu halten, dass unter diesen Umständen Sex vor allem in Verbindung mit Alkohol stattfindet?
  • Es wird ständig darüber gesprochen und diskutiert, ob und wie Internetpornos die Sexualität von Jugendlichen beeinflussen. Mich interessiert manchmal vielmehr der Einfluss von Internetpornos auf die Sexualität von Mitte-30-jährigen Familienvätern.
  • Eine wichtige feministische Forderung ist, dass alles immer im Konsens aller Beteiligten geschehen muss. Was bedeutet es darüber hinaus, mit einem feministischen Anspruch an Sex und Liebesbeziehungen herangehen zu wollen?

Zunächst einmal wäre auch eine Bestandsaufnahme interessant. Was gibt es bereits für Texte zu den Themen aus männlicher Perspektive? Über jegliche Hinweise bin ich dankbar.

4 Antworten

  1. seinswandel sagt:

    Sehr lesenswert finde ich zu diesem Thema „Lustvoll Mann sein“. Die Herausgeber Saleem Matthias Riek und Rainer Salm haben 15 Interviews geführt mit Männern, die sich schon lange und intensiv mit ihrer Sexualität beschäftigen.

    Eine weitere Spur könnte hier sein:

    [Links entfernt, JK]

    • jochen sagt:

      Danke für den Kommentar.
      Ich habe die Links entfernt. Ich stehe nicht so auf Männerbefindlichkeitslyrik, in der mit keinem Satz auf gesellschaftliche Geschlechter- und Machtverhältnisse verwiesen wird und stattdessen irgendwas vom „Stolz, ein Mann zu sein“ in Verbindung mit einem homophoben Weltbild gefaselt wird. Inwiefern das auch im angesprochenen Buch auftaucht, kann ich grade nicht beurteilen und lasse den Hinweis erst einmal da. Eventuell würde ich ihn später auch noch entfernen.
      Jochen

  2. iv milos sagt:

    Oh, das ist auch super spannend! Hm, leider auch keinen Tip; Hast Du in Zwischenzeit das von „seinswandel“ empfohlene Buch gelesen? Insgesamt finde ich das Thema superspannend, da es ja wirklich auch um gelebte Machtverhältnisse geht! Sex und Beziehung und Geschlechterrollen; und eben keine feste Beziehung eben wegen der Geschlechterrollenverteilung wenn Kind im Spiel, und was das heisst, trotzdem Sex zu haben oder haben zu wollen, wie das geht, mit Kindi, und wie ist das für Männer, wenn ich ein Kind habe?

    • Jochen sagt:

      Ja, ich hab das Buch gelesen und werde demnächst hier auf dem Blog ne Rezension schreiben. Irgendwie schiebe ich es aber gerade vor mir her, weil ich so viel anderes zu tun habe, deshalb kann es auch noch nen Moment dauern.
      Ja, es stecken auf jeden Fall viele spannende Fragen in dem Thema.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.