unausgeschlafen und alleine mit krankem Kind


Nach einer anstrengenden Woche liege ich mit meinem Laptop im Park auf der Decke in der Sonne. Die Kinder sind bei ihren Müttern. Ich versuche mich etwas zu erholen und mit diesem Text meine Gedanken zu ordnen.

Zeitsprung. Etwas mehr als eine Woche zuvor: Donnerstag hole ich das große Kind aus der Schule, Freitag das kleine Kind aus der Kita. Meine acht Tage mit Kind beginnen, sechs Tage davon mit zwei Kindern. Freitag ist noch alles in Ordnung. Samstag geht es los.

Erst denke ich, meine kleine Tochter habe sich einfach in die Zunge gebissen. Sie klagt über Beschwerden beim Essen. Doch dann erinnere ich mich an einen Informationszettel aus der Kita: „In unserer Einrichtung gibt es mehrere Fälle der Hand-Fuß-Mund-Krankheit“

Aufgrund der Bläschen im Mund isst sie ab Samstagnachmittag kaum noch etwas. Weil ihr das Schlucken weh tut, schluckt sie ihre Spucke nicht mehr herunter, sondern lässt sie einfach aus dem Mund laufen. Es bilden sich kleine Pfützen in der ganzen Wohnung. Nachts wird sie häufig wach. Sie hat Hunger und Durst. Ich bringe ihr Kamillentee. Sie trinkt einen winzigen Schluck, es fühlt sich für sie unangenehm an. Sie möchte nichts mehr. Sie weint etwas. Ich versuche sie zu beruhigen. Sie schläft wieder ein, wacht nach einer halben Stunde wieder auf, weil sie noch immer durstig ist und alles beginnt von vorne.

Sie schläft in meinem Bett, damit ich sie besser beruhigen und trösten kann. Sie wälzt sich umher. Irgendwann dreht sie sich an mir vorbei und fällt auf meiner Bettseite aus dem Bett. Mit dem Kopf auf mein neben dem Bett liegendes Smartphone. Der Kopf bleibt heil, das Display meines Smartphones ist kaputt. Und das ist mit Abstand die lustigste Geschichte des langen Wochenendes. Montag ist Feiertag.

Am Dienstag habe ich seit drei Nächten kaum geschlafen. Am Vormittag gehen wir zur Kinderärztin. Sie bestätigt die Hand-Fuß-Mund-Diagnose. Die große Schwester freut sich, dass sie aufgrund der kranken kleinen Schwester nicht in den Ferienhort muss, sondern mit uns zuhause bleiben kann. Ich versuche alle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um eine Ansteckung zu vermeiden.

Dienstagnachmittag nähere ich mich dem Ende meiner Nerven und meiner Kräfte. Ich muss Arbeitstermine absagen. Ich wäre viel lieber im Büro als unausgeschlafen mit krankem Kind zuhause und doch erlebe ich an diesem Tag auch einen der schönsten Momente der Woche.

Das große Kind spielt alleine in ihrem Zimmer. Das kranke Kind möchte auf meinen Arm. Sie ist schlapp und schlecht gelaunt. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ihren Kuscheleisbären hält sie im Arm. Ich trage Kind und Eisbär etwa eine Stunde lang durch die Wohnung. Wir hören Musik. Zwischendurch hebt sie ihren Kopf, schaut mir in die Augen und lächelt.

Ich bin in dem Moment sehr glücklich über meine Rolle gegenüber den Kindern und dabei passt ein solcher Moment so gar nicht dazu, wie Vaterschaft ansonsten diskutiert wird. Ich weiß, dass die überwiegende Mehrzahl der Väter nie einen solchen Moment erleben wird – nach vier Tagen rund um die Uhr alleine mit krankem Kind und voller Sorgen auf diese Weise angelächelt zu werden.

Mit größeren Kindern ist es vielleicht auch möglich, am Wochenende mit der Vätern zugeschriebenen Lockerheit über gemeinsame Interessen und Aktivitäten Nähe aufzubauen. Bei kleineren Kindern braucht es vor allem sehr viel Zeit und die meisten Väter sind nicht bereit, diese Zeit zu investieren. Ja, es ist manchmal schrecklich anstrengend. Ich bin mir in diesem Moment dennoch sehr sicher, in meinem Leben viele richtige Entscheidungen getroffen zu haben.

Ab Mittwoch bessert sich die Lage. Die Nächte werden ruhiger. Das Kind isst wieder und ist besser gelaunt. Mittlerweile sind die Kinder wieder bei ihren Müttern. Ich habe ein freies Wochenende. Ich habe Zeit, mich zu erholen, muss noch etwas arbeiten und unter anderem meinen Vortrag am kommenden Dienstag in Aachen vorbereiten, weil ich in der vergangenen Woche nicht viel hinbekommen habe, und freue mich danach wieder auf die nächste Woche mit den Kindern.

4 Antworten

  1. Ramona sagt:

    Ach das hast du schön geschrieben. Genau wirklich tragisch finde ich auch, dass die meisten väter dieses lächeln nie erleben dürfen. Alles liebe

  2. Martha sagt:

    Hallo und danke, dass Du uns an Deinen Erfahrungen, gerade auch den anstrengenden und schwierigen, so offen teilhaben lässt. Habe gerade den verlinkten Spiegel-Artikel gelesen … wirklich erstaunlich, wie ein solcher Bericht, der einen doch fassungslos machen müsste, es schafft, irgendwie noch als Lifestyle-Kolumne rüberzukommen! Ich würde zwar sagen, dass man auch Reue und Einsicht des Autors darin findet, aber es klingt nicht danach, als wollte das Paar wirklich etwas verändern.

    Erhol Dich gut!

  3. Manu sagt:

    Solche Momente machen auch mich als immer wieder glücklich. Meine Kinder sind in jeder zweiten Woche bei mir und ich habe das gute Gefühl, dass die Bindung zu ihnen wirklich eng ist und auf diese Weise auch bleibt.
    Danke fürs Teilen und teilhaben lassen :).

  1. 23. Juni 2017

    […] denke ich an diesen Text von Jochen König, in dem er von einer enorm anstrengenden Woche mit kranken Kindern schreibt. […]

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