Väter und die Sexualität ihrer Töchter

Vor wenigen Jahren lief im Fernsehen ein Werbespot für ein Erfrischungsgetränk: Das Leben wie es sein soll. Der Morgen danach. Eine Frau und ein Mann wachen zusammen in ihrem Bett auf. Sie geht duschen. Sie sagt ihm, er solle sich wie zuhause fühlen. Tom – so wird er per Text auf dem Bildschirm vorgestellt, sie hingegen bekommt keinen Namen – nimmt sich ein Getränk aus dem Kühlschrank. Dann klingelt es an der Tür. Im Bild ist ein grimmig dreinblickender Mann zu sehen. Im Hintergrund eine Frau. Der Text auf dem Bildschirm stellt nur ihn vor: Ihr Vater. „Kleines mach auf! Wir sind´s!“, brüllt er. Tom bekommt Panik. Zum Glück wird er von einem Spezialeinsatzkommando mit Hubschraubern abgeholt. Als die Frau aus der Dusche kommt, kann er ihr noch kurz andeuten, dass er sie anrufen wird. Dann fliegt er mit dem Einsatzkommando in den Hubschraubern davon. Gerade rechtzeitig bevor der Vater die Tür aufbricht und im Zimmer steht. Vor seiner nur mit Handtuch bekleideten Tochter. Das Leben wie es sein soll!?! Ist es meine Aufgabe als Vater die Sexualität meiner Tochter zu kontrollieren, jeden potentiellen Sexualpartner in die Flucht zu schlagen, so lange er noch nicht bei mir um die Hand meiner Tochter angehalten hat und reicht es dafür nicht einmal aus, unangemeldet vor der Tür zu stehen und diese dann aufzubrechen, wenn nicht sofort geöffnet wird?

Der Vater in dem Werbespot gehört zur Generation meiner Eltern und aus irgendeinem Grund hatte ich die naive Hoffnung eine solche Vorstellung gehöre eher in die fünfziger oder sechziger Jahre und sei durch die jüngere Elterngeneration zumindest annähernd überwunden. Doch auch viele jüngere Väter äußern heute noch immer das Bedürfnis, die Sexualität der eigenen Tochter kontrollieren zu wollen. In den letzten Jahren habe ich mich durch diverse Väterbücher gekämpft. Hier nur zwei Beispiele, in denen das Thema aufgegriffen wird (beide Autoren sind Jahrgang 1976):

„Mädchen können aber auch eine Menge Ärger machen. Was ist, wenn sie zum ersten Mal einen Freund mit nach Hause bringt?“, „Dann lese ich ihm seine Rechte vor und schicke ihn nach Hause, damit er ein polizeiliches Führungszeugnis und die Kontoauszüge der letzten 24 Monate holt. Dann macht er einen Drogentest und wird von mir an einen Lügendetektor angeschlossen.“ (in: Richardt, Mario D.: Leerer Kühlschrank volle Windel, Berlin 2013)

„Alle Männer wollen doch eine Tochter, oder? Da kann man dann ihre ersten Freunde aus dem Haus jagen. Den langhaarigen Versager mit seinem Motorrad, der sie nur ins Bett kriegen will. Und diesen höflichen Schönling aus gutem Hause, der sich bei mir einschleimt und mit mir über Fußball philosophiert und Flaschenbier trinkt. Und der sie auch nur ins Bett kriegen will.“ Cora lächelte kundig. „Vielleicht will sie ja auch mit ihnen ins Bett.“ „Und auch diesen mageren Nachbarsjungen, dieses schüchterne kleine Scheidungskind mit seinen traurigen Augen, der allmählich ihr Vertrauen erschleicht. Und der sie nur ins Bett kriegen will. Aber auch der wird davongejagt. Und dann rede ich erst mal ein ernstes Wort mit seinem Vater, diesem Verlierer.“ (in: Osterloh, Falk: Die Windel fällt immer auf die Butterseite, München 2011)

Jungs, warum seid ihr so sehr an der Sexualität eurer Töchter interessiert?

Vielleicht sind die zitierten Einlassungen auch nur so halb ernst gemeint. Dass Witze, die Männer über Mädchen/Frauen machen, aber nie losgelöst von den gesellschaftlichen Verhältnissen funktionieren und im Zweifelsfall eher schräge Vorstellungen reproduzieren anstatt sie in Frage zu stellen, dürfte spätestens seit Mario Barth klar sein.

Die Vorstellung mit dem Vater des Freundes meiner Tochter darüber zu verhandeln, ob und wann die beiden miteinander ins Bett gehen dürfen, assoziiere ich eher mit dem Mittelalter als mit der Vater-Tochter-Beziehung, die ich mir für mich und meine Tochter wünsche. Umso älter meine Tochter wird, umso häufiger werde ich in Diskussionen mit der Frage konfrontiert, wie ich denn damit umgehen werde, wenn es einmal soweit kommt: „Noch hast du gut reden. Wenn deine Tochter erstmal 14 ist, siehst du das ganze bestimmt auch nicht mehr so locker.“ Mal abgesehen davon, dass ich überhaupt nicht weiß, ob –wie in den Phantasien der zitierten Autoren – meine Tochter jemals mit einem Jungen nach Hause kommen wird oder nicht doch eher mit einem Mädchen, kann ich natürlich auch nicht vorhersagen, was genau ich in zehn Jahren darüber denken werde. Aber will ich meiner Tochter in zehn Jahren wirklich vermitteln, dass ein Mann (in diesem Fall ihr Vater) besser als sie selbst weiß, was gut für sie ist und was nicht? Ich glaube nicht.

Im Gegenteil: Meine Tochter wird ihre eigenen Entscheidungen treffen. Egal, ob mir diese dann gut oder eher weniger gut gefallen. Sie wird ihre eigenen Erfahrungen machen. Meine Tochter ist nicht dafür da, meine Erwartungen zu erfüllen und Entscheidungen zu treffen, die ich für richtig halte. Und ich bin fest davon überzeugt, dass sie selbst besser in der Lage sein wird herauszufinden, was sie möchte, wenn ich ihr nicht vermitteln werde, auf meine Einschätzungen, Urteile und meinen Schutz angewiesen zu sein.

Ich möchte immer für meine Tochter da sein, wenn sie mich braucht. Und wenn sie mich fragt, werde ich ihr auch meine ehrliche Meinung sagen. Ich werde aber nicht darauf bestehen, ihre Partner_innen zuerst kennenzulernen und auszufragen, bevor die beiden beieinander übernachten. Es ist schlicht und einfach not my business, ob, wann und mit wem sie Sex haben möchte.

Ein ähnlicher Text ist bereits hier (auf Englisch) erschienen.

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