Kinderbuch: Die Geschichte unserer Familie

Jeden Abend sucht sich Fritzi ein Buch aus ihrem Regal aus, das ich ihr vorlesen soll. Etwa jeden zweiten Abend sucht sie sich gerade ein Buch aus, in dem es darum geht, wie Familien funktionieren, wie die Babys in den Bauch kommen oder wer in wen verliebt ist. Es ist schwierig Bücher zu finden, die von dem Muster abweichen: Frau und Mann sind ineinander verliebt, zeugen durch Sex ein Kind und sind dann zusammen eine heile und glückliche Familie. Schon für Fritzi funktioniert das nicht so ganz. Ihre Eltern waren zwar ineinander verliebt. Und sie ist durch heterosexuellen Sex entstanden. Seit einiger Zeit sind ihre Eltern aber nicht mehr zusammen und Verliebtsein spielt sich außerhalb der Elternbeziehung unter Einbeziehung weiterer Personen ab. Eine Zeit lang sollte ich deshalb mehrmals pro Woche immer wieder die Geschichte von Liam, einem Kind mit getrennten Eltern, aus dem Buch Unsa Haus vorlesen.

Mit dem Geschwisterkind wird Fritzis Suche nach Repräsentation der eigenen Familie in einem Kinderbuch noch etwas komplexer. Kürzlich bin ich auf das bereits 2009 erschienene Buch Die Geschichte unserer Familie – Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch Samenspende von Petra Thron und Lisa Herrmann-Green (FamART, 2009) gestoßen. Es ist für Kinder von 3 bis 6 Jahren gedacht und gerade deshalb auffällig kurz und einfach. Ohne irgendwie ins Detail zu gehen, beschreibt es auf wenigen Seiten das Verliebtsein, den Kinderwunsch, die bei der Zeugung beteiligten Personen, die Schwangerschaft und die Ankunft des Babys in der Familie eines lesbischen Paares. Es bietet dabei Seiten für zwei Versionen: bei der Zeugung ist eine Ärztin beteiligt oder auch nicht. Die nicht passenden Seiten können herausgetrennt oder einfach übersprungen werden.

Fritzi findet das Buch gut. Seit drei Abenden ist es das abendliche Vorlesebuch ihrer Wahl – auch wenn es nicht wirklich ihre Familie abbildet. Aber es ist näher an der Geschichte ihres Geschwisterkinds als alle anderen Bücher, die wir bisher zu diesem Thema gelesen haben. Fritzi hat sofort die Parallelen erkannt und beispielsweise kapiert, dass wir die Seiten mit der Ärztin überspringen können. Wahrscheinlich wird es Fritzi schnell zu kurz – umso länger das Buch, das ich vorlesen soll, umso später muss sie einschlafen – und zu einfach werden – im Gegensatz zu den Aufklärungsbüchern, die wir gerade sonst so lesen und die für Kinder ab 5 oder ab 6 Jahren gedacht sind. In unserem Bücherschrank ist es aber eine wichtige Ergänzung.

3 Antworten

  1. Ole sagt:

    Lieber Jochen, hier mein Tipp für dich: Du kannst dir ein Bilderbuch nach Maß anfertigen lassen, zugeschnitten auf deine Familiensituation. Das eignet sich nicht nur für Fritzi, sondern auch für die Kita, für Verwandte und Freund_innen.
    http://www.atelier-neundreiviertel.de/individuelle-kinderbuecher/
    Liebe Grüße, dein Ole

  1. 17. Dezember 2014

    […] ist, ein Kinderbuch zu bekommen, in dem Fritzi ihre Familienkonstellation wiederfindet, habe ich bereits berichtet. Das Thema wird uns noch einige Zeit erhalten bleiben und so werde ich an dieser Stelle […]

  2. 1. Januar 2015

    […] Das Jochen König, Autor des Buches ‘Fritzi und ich’, besitzt nun auch ein Blog. Hier  schreibt er über seine Kinder, Familien, Feminismus, Sorge-Arbeit und Vaterschaft. Lesenswert ist unter anderem seine Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit Stillen zwischen Abwertung und Stillzwang, seine Gedanken zu politischen Abendveranstaltungen und (dort oft leider fehlender) Kinderbetreuung oder viele seiner Rezensionen von anti-diskriminiertender bzw. nicht-normativer Kinderliteratur (z.B. das Buch ‘Die Geschichte unserer Familie‘). […]

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