Zwei Wochen im November oder „Mama, weißt du, warum mir die Tränen übers Gesicht laufen?“
„Mama, weißt du, warum mir die Tränen übers Gesicht laufen?“, fragt mich Fritzi heute Morgen auf dem Weg zur Kita, während ich mein Fahrrad schiebe, sie auf dem Roller steht, sich mit einer Hand an meinem Rad festhält und von mir ziehen lässt.
„Ich möchte einen anderen Papa haben!“
„Oh, warum das denn?“, frage ich zurück.
„Ich möchte einen Papa haben, der genauso lieb ist wie meine Mama“, antwortet sie.
(Damit es nicht zu Verwechslungen kommt: „Mama“ in der Ausgangsfrage bezeichnet mich. Einem anderen Kind hat Fritzi letztens erst erklärt, dass „Mama“ sowas ist wie mein Spitzname. In ihren weiteren Sätzen, in denen es nicht darum geht mich anzusprechen, sondern vielmehr über mich zu sprechen, bin ich „Papa“ und ihre Mutter ist „Mama“ – völlig logisch, oder?)
Seit einiger Zeit ist Fritzi im zweiwöchigen Rhythmus immer neun Tage bei mir und dann fünf Tage bei ihrer Mutter. Die ersten und die letzten unserer neun Tage sind meistens die schwierigsten. Die ersten, weil wir uns immer erst wieder aneinander gewöhnen müssen. Die letzten, weil wir uns nach der gemeinsam verbrachten Zeit wieder voneinander erholen müssen und weil Fritzi ihre Mutter vermisst. Heute Morgen ist der achte von unseren neun gemeinsamen Morgen. Ich versuche meine Gedanken und Gefühle zu Fritzis Wunsch nach einem neuen Papa zu ordnen.
Es ist November. Ein Monat, der nicht gerade dafür bekannt ist, unter den Menschen auf der Nordhalbkugel beste Stimmung zu verbreiten. Ich arbeite gerade vergleichsweise viel. Beides zusammen (November, viel Arbeiten) hat auch Auswirkungen auf meine Zeit mit Fritzi: Ich bin schneller genervt von ihr und wir streiten uns häufiger. Dazu kommt nun, dass die Kombination aus diesen drei Aspekten (November, viel Arbeiten, mehr Streit mit Fritzi) an meinem letzten freien Wochenende zu einem gesteigerten Bedürfnis führte, gerade nicht einfach mal ein paar Tage auszuschlafen und mich auszuruhen, sondern vielmehr noch weniger zu schlafen und zu den Eindrücken der Tage mit Fritzi noch viele weitere Eindrücke und Erlebnisse ohne sie hinzuzufügen. Trotz der beschriebenen denkbar ungünstigen Voraussetzungen (November, viel Arbeiten, mehr Streit mit Fritzi, Post-Party-Depression) hatten wir in den letzten Tagen völlig unerwartet auch wunderschöne Momente zusammen.
Fritzi hat ein neues Bett. Ein Hochbett. Wir hatten viel Spaß dabei, ihr Zimmer neu einzurichten. Auf ihrem Hochbett hat sie jetzt auch einen Wecker und ist unglaublich stolz darauf, dass sie nun selbst weiß, wann sie aufstehen muss. Und der Wecker leuchtet auch noch bunt. Vor ein paar Tagen hat sich Fritzi einen Roller ausgeliehen, ist völlig begeistert davon und möchte seitdem jeden Morgen damit in die Kita fahren. Beim Zähneputzen heute Morgen ist der Zahn endgültig draußen, der Fritzi schon seit einiger Zeit genervt hatte und wir liegen uns deshalb vor Freude und Stolz in den Armen. Kurz danach das oben beschriebene Gespräch auf dem Weg zur Kita. Gefühlsachterbahn. Zwei Wochen im November.