Väter fördern, Frauen verändern

Der Berliner Beirat für Familienfragen hat im Auftrag des Berliner Senats den Familienbericht 2015 „Dazugehören, Mitgestalten – Familien in der Stadtgesellschaft“ erarbeitet und veröffentlicht. Darin geht es um viele unterschiedliche Aspekte familiären Zusammenlebens in Berlin. Der Bericht ist 240 Seiten lang. Deshalb habe ich ihn nicht gelesen, nur überflogen und war eigentlich schon wieder dabei ihn wegzulegen. Über einige Formulierungen bin dann allerdings doch gestolpert.

Im Kapitel „Familie und Arbeitsleben“ heißt es unter der Überschrift „Handlungsempfehlungen des Berliner Beirats für Familienfragen“:

  • Der Senat muss verstärkt auf veränderte Rollenwahrnehmungen von Frauen und Männern hinarbeiten. Frauen sollen zum Beispiel dazu ermuntert werden, frauenuntypische – und damit besser bezahlte – Berufe zu ergreifen und gleichzeitig Erwerbsunterbrechungen zu reduzieren. Männern sollen in ihrer Vaterrolle gestärkt werden. Ziel hierbei ist, die ungleiche Verteilung der Familien- und Erwerbsarbeit und damit auch die ungleiche Bezahlung der Geschlechter aufzulösen.
  • Der Berliner Beirat für Familienfragen fordert alle Akteurinnen und Akteure des Berliner Arbeitsmarktes dazu auf, sich dafür einzusetzen, die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern zu beseitigen. Dazu dienen unter anderem die Verringerung von Erwerbsunterbrechungen, etwa durch eine gut ausgebaute Kinderbetreuung, die Hinwirkung auf ein verändertes Rollenverständnis von Mädchen und Frauen, welches das Berufswahlverhalten nachhaltig verändert, sowie Bemühungen zur Aufwertung der überwiegend schlecht bezahlten typischen Frauenberufe.“ (S. 127)

Immer wieder wird außerdem die „Förderung von Vätern“ gefordert. Väter sollen in ihrer Rolle gefördert und gestärkt werden, Mädchen und Frauen dagegen ihr Rollenverständnis verändern. Väter sind irgendwie schon ok so, wie sie sind. Sie benötigen nur etwas mehr Hilfe und Förderung, weil es ja beispielsweise so immens schwierig ist, das gesetzliche Recht auf Elternzeit auch wirklich wahrzunehmen. Frauen dagegen müssen echt nachhaltig was verändern, damit wir dem Ziel näher kommen, die ungleiche Bezahlung der Geschlechter aufzulösen. Frauen dürfen einfach nicht mehr so lange mit Kind zuhause bleiben und sich endlich ordentliche Berufe aussuchen. Haha.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Pinkstinks mit ihrem neuen Video. Darin wird eine Figur mit einem Cupcake einer Figur mit einem Reagenzglas gegenübergestellt. Das Eine sei „nur Cupcakes backen“, beim Anderen jedoch ginge es darum, „wirklich etwas zu lernen“.

Auf die eigenen Kinder aufpassen, Cupcakes backen sowie die Tätigkeiten als Erzieher_in oder Altenpfleger_in werden ständig abgewertet. Es handelt sich um Care-Tätigkeiten, die als weibliche Aufgaben angesehen werden und deshalb nicht die Wertschätzung erhalten, die ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und auch der Leitung der Menschen angemessen wäre. Oft wird suggeriert, dass man dafür sowieso nichts können oder lernen müsse, es vielmehr von Frauen qua Natur und nebenbei erledigt werde und deshalb auch keine angemessene Bezahlung nötig ist.

Die Lösung kann nicht darin bestehen, dass in Zukunft niemand mehr bei den eigenen Kindern bleibt, Cupcakes backt, Erzieher_in oder Altenpfleger_in wird. Vielmehr sollten Frauen in ihre Rolle gestärkt und gefördert werden, ganz egal, ob sie sich für Kinderbetreuung oder doch für ein Chemie-Studium entschließen. Und: Auf dem Weg in eine gerechtere Gesellschaft kann wohl kaum mehr falsch gemacht werden als damit, Väter in ihrer bisherigen Interpretation ihrer Vaterrolle zu bestärken.

4 Antworten

  1. MGTOW sagt:

    „Sie benötigen nur etwas mehr Hilfe und Förderung, weil es ja beispielsweise so immens schwierig ist, das gesetzliche Recht auf Elternzeit auch wirklich wahrzunehmen. “

    Väter Haben dieses Recht nicht. Wenn sie es hätten, dann wäre es einklagbar. Ist es aber nicht.
    Sie scheinen sich ja sehr ausgiebig mit der Frauen- und Mütterförderung beschäftigt haben. Der einzige Punkt, den Sie über Väter schreiben ist aber faktisch falsch.

    • jochen sagt:

      Natürlich haben Väter auch die Möglichkeit die Elternzeit auf Grundlage des §15 BEEG gegenüber der_m Arbeitgeber_in einzuklagen.
      Inwiefern ist die Information aus Ihrer Sicht faktisch falsch?

  1. 16. Juli 2015

    […] wichtige Beobachtung macht Jochen König auf seinem Blog. Er beschäftigt sich mit Rhetorik und Zielsetzung des […]

  2. 22. Juli 2015

    […] in ihrer bisherigen Interpretation ihrer Vaterrolle zu bestärken.“ – Jochen König kritisiert den Familienbericht 2015 für den Berliner […]

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