„Deutscher Juristentag“ fordert, Sorgerecht für mehr als zwei Personen zuzulassen

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Von 13. bis 16. September 2016 tagte der „Deutsche Juristentag“ in Essen. Der Deutsche Juristentag e.V. möchte regelmäßig Vorschläge zur Entwicklung der Rechtsordnung unterbreiten und veranstaltet dazu alle zwei Jahre einen solchen Kongress, an dem Jurist_innen aller Berufsgruppen teilnehmen können. Diskutiert wurde dort in diesem Jahr in den Bereichen Zivilrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Familienrecht. Dazu wurden jeweils ein Gutachter (ausnahmslos männliche Juristen) sowie je drei weitere Referent_innen  pro Themenfeld geladen, ihre Thesen vorzutragen.

In der taz habe ich kürzlich gefordert, darüber zu diskutieren, ob und wie auch auch drei Personen rechtlich eingetragen und abgesichert Eltern eines Kindes sein und zusammen das Sorgerecht übernehmen können. Unter anderem darum ging es auch beim „Deutschen Juristentag“. Im Bereich Familienrecht brachte die Baseler Professorin Dr. Ingeborg Schwenzer den Punkt ein: „Bei intendierter pluraler Elternschaft in Queer-Families ist rechtliche Elternschaft auch für mehr als zwei Personen anzuerkennen.“ Bei der Abstimmung zum Abschluss wurde diese Forderung mit 13 zu 15 Stimmen nur knapp abgelehnt. Vor dem Hintergrund meiner eigenen Vorurteile gegenüber Jurist_innen und der Berichterstattung im Vorfeld, in der diese Möglichkeit beispielsweise von Wolfgang Janisch als beunruhigend beschrieben wurde, erlaube ich mir, das knappe Abstimmungsergebnis als großen Schritt zu interpretieren.

Angenommen wurde sogar die Forderung der Verteilung des Sorgerechts in sogenannten Stieffamilien auf mehr als zwei Eltern. Die Formulierung „Einem Stiefelternteil, der mit dem Kind und einem sorgeberechtigten Elternteil seit mindestens zwei Jahren in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann durch Entscheidung des Familiengerichts neben den bisher Sorgeberechtigten ein Mitsorgerecht eingeräumt werden, wenn die Eltern des Kindes der Übertragung zustimmen und dies dem Kindeswohl nicht widerspricht“ fand eine große Zustimmung mit 25 zu 6 Stimmen. Wenn ich es richtig verstanden habe, könnten damit in unserer Familie alle drei Eltern das Sorgerecht erhalten.

Weitere wichtige beschlossene Forderungen beschäftigen sich mit künstlicher Befruchtung, Samenspende, Adoption, Stief- und Pflegefamilien. So soll es beispielsweise nach Ansicht des Deutschen Juristentags möglich sein, dass sich bei einer privaten Samenspende der Samenspender und die Mutter gemeinsam vor der Geburt darauf festlegen, dass der Samenspender nicht eingetragenes Elternteil wird. Bisher ist das nur informell möglich und kann beispielsweise im Kontext von Unterhaltsfragen zum Problem werden. Mit großer Mehrheit wurde auch die Möglichkeit zur Adoption in eingetragenen Lebenspartnerschaften gefordert, sowie die vorgeburtliche Mutterschaftsfeststellung einer zweiten Mutter analog zur Vaterschaftsanerkennung.

Überhaupt nicht diskutiert wurde die rechtliche Situation von Trans*Eltern, obwohl hier ein Entwicklungsbedarf – nicht nur aufgrund mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum TSG – mehr als offensichtlich ist. Männer werden schwanger und gebären Kinder. Frauen spenden Samen. Diese Familienrealitäten fordern jedoch nicht nur das TSG, sondern viele weitere Regelungen und Gesetze heraus. Mit ein paar kleineren Gesetzesänderungen ist es nicht getan. Vielmehr stellen diese Familienrealitäten völlig in Frage, was auf (rechtlicher) Ebene unter den Begriffen „Mutter“ und „Vater“ zu verstehen ist und das ist für einen „Deutschen Juristentag“ dann leider doch noch etwas zu viel.

1 Antwort

  1. 16. Oktober 2016

    […] rechtlich anerkannte Eltern eines Kindes sein. Warum nicht auch drei? Der deutsche Juristentag wäre durchaus dafür […]

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