„Hat gar nicht wehgetan“ – Erwiderung auf die Stellungnahme des Väterzentrums

 

Vor ein paar Wochen hab ich auf der Facebook-Seite des Väterzentrums Berlin einen Artikel kritisch kommentiert, in dem über ein vom Väterzentrum organisiertes „Indianerwochenende“ berichtet wurde. Der Autor des Artikels beschreibt darin, wie sein Sohn während des Camps lernt, seinen Schmerz zu unterdrücken und weniger zu weinen. („Es wird geschrien, geflüstert und gelacht – nur geweint wird kaum. Auch Noah schreit nicht, wenn er hinfällt. >Hat gar nicht wehgetan<, sagt er jedes Mal, wenn er wieder aufsteht. Einer der älteren Jungen hat ihm gesagt, dass Indianer angeblich keinen Schmerz kennen.“) Ich habe daraufhin dem Väterzentrum per Mail 5 Fragen gestellt:

  1. Was ist das konzeptionell formulierte (sozial-)pädagogische Ziel der angebotenen Reisen?
  2. Im Artikel in der Eltern Family berichtet der Autor Philipp Hedemann, sein Sohn habe während der Reise gelernt, nicht mehr zu weinen, wenn er hinfalle. Gibt es seitens der Campleitung irgendwelche Überlegungen zum Umgang mit solchen „Lernprozessen“ während des Camps? Wie ist die Position des Väterzentrums dazu?
  3. Wie geht das Väterzentrum konzeptionell in Zukunft damit um, dass es auf einem Ihrer Camps zu einem solchen Lernprozess gekommen ist?
  4. War Ihnen bei der Konzeptionierung des Camps bewusst, dass die Verkleidung als „Indianer“ von vielen als rassistische Praxis angesehen wird? Wenn ja, warum wurde sich dennoch für diese Konzeption entschieden?
  5. Werden Sie nun, da Sie die Kritik kennen, das Konzept des „Indianer“-Camps überarbeiten/verändern? Und wenn nein, mit welcher Begründung findet die Kritik als rassistische Praxis in Ihrer Konzeptionierung keine Berücksichtigung?

Die Verantwortlichen haben mir geantwortet, dass sie mir aufgrund ihrer Vorerfahrungen mit mir nicht antworten werden und haben stattdessen meine Fragen nun in einer eigenen Stellungnahme beantwortet, ohne mich als Urheber der Fragen zu benennen: Link zur Stellungnahme des Väterzentrums

Der Text des Väterzentrums ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

Als Erstes fällt auf, dass für weiße Männer bereits 7 kritische Kommentare unter einem Facebook-Post als Shitstorm durchgehen. Das muss ein schönes Leben sein. Fun Fact: Nach meinem letzten kritischen Artikel über das Väterzentrum schickte der Geschäftsführer des Väterzentrums eine Email über den großen Verteiler an über 400 sichtbare Adressaten mit dem Hinweis, ein Väterblogger habe einen sehr hässlichen Beitrag über das Väterzentrum und seine Besucher veröffentlicht und mit der Anregung, meinen Artikel zu kommentieren.

Auch die Bedeutung des Begriffs „Hate Speech“ ist den Autoren der Stellungnahme nicht ganz geläufig. Es wird behauptet, die Kommentare unter ihrem Facebook-Post bzw. im Speziellen die Formulierung „rassistische und sexistische Kackscheiße“ erfüllten den „Charakter von Hate Speech“.  Zur Erklärung: Bei „Hate Speech“ handelt es sich nicht(!) um ein Synonym für Unhöflichkeit. „Hate Speech“ bezeichnet die Abwertung von Gruppen oder einzelnen Personen auf Basis von Rassismus, Sexismus, Ableismus, Homo- oder Trans-/Interfeindlichkeit. Nicht der Vorwurf, etwas sei sexistisch oder rassistisch, kann demnach „Hate Speech“ sein, die rassistische Bezugnahme auf „Indianer“ allerdings schon.

Eine Reflexion darüber, ob ihre Bezugnahme auf „Indianer“ als rassistisch zu bewerten ist, wird in der Stellungnahme relativ schnell übergangen. „Wir sind keine Sexisten und keine Rassisten.“ Äh achso, dann hab ich mich wohl geirrt. Sorry. Nach Ansicht des Väterzentrums kann etwas anscheinend nur rassistisch sein, wenn eine Handlung oder Aussage explizit „ausgrenzend, abwertend, in unterdrückerischer Absicht“  getätigt werde. Das ist ein sehr verkürztes Verständnis von Rassismus. Eine Reproduktion eines romantisierenden, stereotypisierenden und kollektivierenden Bildes über „Indianer“ ist für das Väterzentrum unproblematisch.

Zum Lernprozess des dreijährigen Noah: Dem Väterzentrum hat, anders als in ihrer Stellungnahme unterstellt, niemand vorgeworfen, die Unterdrückung des Weinens sei ein offizielles Lernziel des Camps gewesen. Darauf, dass das Bild des „Indianers“ aber auch ohne offizielles Lernziel diese Effekte haben kann, wird nicht eingegangen. Auch nicht darauf, warum ein Artikel, der genau diesen Lerneffekt beschreibt, unkritisch bzw. lobend geteilt wird, anstatt sich zu entschuldigen und kleinlaut zuzugeben, dass da wohl etwas gehörig daneben gegangen ist. So habe ich die Befürchtung, dass auch im nächsten Camp wieder kleine Jungen lernen werden, ihre Emotionen und ihren Schmerz zu unterdrücken „und dann kommt auch der kleine Bruder mit!“

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