Mütter kümmern sich um Kinder, Väter besteigen Gipfel

Am Freitag fand in Berlin der Vätersummit statt. „Mach dein Vater-Ding“ lautete die Überschrift der Veranstaltungsankündigung. Auf dem vom Veranstalter geteilten Seehofers-Heimatministerium-Gedächtnis-Gruppenfoto der Referent_innen stehen 17 Männer und eine Frau. Auf Twitter habe ich das etwas ungleiche Geschlechterverhältnis und das durch den Titel und die Ankündigung deutlich gewordene Abgrenzungsbedürfnis von Vätern gegenüber Müttern kritisiert. Weil das auf Twitter mit der Zeichenbeschränkung nicht so einfach ist, und besonders einige der Teilnehmer meine Kritik nicht nachvollziehen konnten („Beim nächsten Mal kommst du einfach hin und diskutierst mit, statt auf Twitter so eine Welle zu schieben?“), möchte ich hier einige Gedanken weiter ausführen und erläutern.

Vorweg noch die Anmerkung: Ich war nicht vor Ort. Ich kritisiere nicht die besprochenen Inhalte, weil ich sie nicht gehört habe. Ich kritisiere das Framing und die (Selbst-)Inszenierung.

Dass es Quatsch ist, zweierlei Überraschungseier für Jungs bzw. Mädchen anzubieten und dass diese Aufteilung klassische Geschlechterrollen eher zementiert als auflöst, erfordert kaum weitere Erläuterung. Beim Thema Vereinbarkeit soll es dann plötzlich legitim sein, die Auseinandersetzung getrennt nach Geschlechtern zu führen und die Geschlechtertrennung wird von denjenigen, die meine Kritik daran nicht verstanden haben, sogar als Teil eines Emanzipationsprozesses gerechtfertigt.

Über das Abgrenzungsbedürfnis von Vätern gegenüber Müttern habe ich schon häufiger geschrieben. Ein Väterzentrum inszeniert sich als entspanntere und lockere Alternative zu Müttercafés, in denen Mütter angeblich immer gestresst und latent überfordert sind. Väter schreiben Texte über ihre Wut, wenn sie gezwungen sind, sich unter Müttern zu bewegen. Der Vater, der mich kritisiert, ich hätte lieber kommen und mitdiskutieren sollen, statt auf Twitter so eine Welle zu schieben, stellt vorsichtshalber klar, dass es sich bei ihm keinesfalls um eine Mutter handelt: „Ich bin ein sehr präsenter Vater, übernehme viel Care-Arbeit, lebe in einer gleichberechtigten Beziehung. Trotzdem bin ich keine Mutter und das ist auch völlig in Ordnung.“

Professor Michael Meuser forscht dazu, wie es in der Selbstinszenierung sogenannter „neuer Väter“ zu einer „Bezugnahme auf das symbolische Inventar hegemonialer Männlichkeit“ und damit zu einer Abgrenzung gegenüber Müttern kommt. Ein Vater aus Meusers Forschung berichtete von einem Gespräch mit seinem Chef, in dem er ihm mitgeteilt habe, Elternzeit nehmen zu wollen und wie er in diesem Gespräch gegenüber seinem Chef „stark“ verhandelt und sich letztendlich mit seiner Forderung nach Elternzeit „durchgesetzt“ habe. Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, können ihre Männlichkeit nicht kampflos aufgeben. Sie müssen sich weiterhin deutlich von Müttern unterscheiden, denn in die Nähe von Müttern gerückt zu werden, ist das Schlimmste, was Vätern passieren kann. Um sich gut zu fühlen, reicht es nicht, beispielsweise darüber zu berichten, besonders fürsorglich im Umgang mit den Kindern zu sein. Fürsorglichkeit ist für Mütter. Durchsetzungsfähigkeit ist für Väter. Nur wenn Väter Durchsetzungsfähigkeit beweisen, können sie sich etwas Fürsorglichkeit erlauben.

Gut zu beobachten sind sowohl dieses Framing als auch die Abgrenzung gegenüber Müttern beim Vätersummit. Väter tauschen sich nicht bei einem Netzwerktreffen aus und reden. Kaffeekränzchen ist für Mütter. Väter erklimmen einen Gipfel. Sie orientieren sich nicht an anderen. Sie orientieren sich nicht an Müttern, die beim Thema Vereinbarkeit vielleicht schon ein paar Jahrzehnte mehr Erfahrung vorzuweisen hätten. Nein, sie müssen ihr eigenes „Vater-Ding“ machen.

Die Selbstinszenierung mit dem Inventar hegemonialer Männlichkeit (Gipfelbesteigung), die Abgrenzung („Vater-Ding“ statt „Eltern-Ding“) sowie die Verweigerung gegenüber Diversität (17 Männer, eine Frau) sind dabei nicht einfach nur zu vernachlässigende unglückliche Zufälle. Der Vätersummit knüpft damit an die genannten Argumentationsmuster an. Er bestärkt einen Diskurs um Vaterschaft, der Väter in ihren Handlungsmöglichkeiten einschränkt. Väter, die dazu aufgerufen werden, ihr „Vater-Ding“ zu machen, müssen sich krampfhaft auf die Suche begeben, wie sich die Vaterschaft von einem „Mutter-Ding“ unterscheiden kann. Sie können sich nicht einfach nur um ihre Kinder kümmern. Sie müssen dabei noch irgendeinen Gipfel besteigen oder sich gegenüber irgendeinem Chef durchsetzen. Wer sich ausschließlich an Müttern orientiert und sich Mütter zum Vorbild macht, an dem muss in diesem Verständnis irgendetwas falsch sein.

Konferenzen über Elternschaft und Vereinbarkeit gibt es regelmäßig. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Veranstaltung, bei der ich als einziger Vater unter Müttern und Familienpolitikerinnen auf einem Podium saß. Im Publikum saßen auch fast ausschließlich Mütter. Väter könnten ihre Probleme mit der Vereinbarkeit an vielen Stellen gemeinsam mit Müttern diskutieren. Das ist aber offensichtlich unter ihrer Würde. Statt solchen Einschränkungen entgegenzuwirken, verstärken Veranstaltungen wie der Vätersummit mit ihrem Framing die Trennung der Geschlechterrollen. Sie vermitteln, dass es Vätern nicht zugemutet werden kann, diese ganzen Themen in einem Raum zu diskutieren, der nicht extra für sie und ihr Bedürfnis nach Aufrechterhaltung ihrer klassischen hegemonialen Männlichkeit geschaffen wurde.

5 Antworten

  1. dasnuf sagt:

    Danke, dass Du das nochmal ausführlich dargestellt hast. Ich verstehe die Kritik jetzt besser, wenngleich ich sie immer noch nicht teile. Seehofers-Heimatministerium-Gedächtnis-Gruppenfoto ist sehr lustig und tut auch ein bisschen weh 😀
    Bitte beim Frauen zählen nicht die 1. Hälfte des Tages vergessen, da waren es nochmal 6 auf der Bühne, die nicht im Bild sind, weil das Bild am Abend gemacht wurde.
    (Das Summit war übrigens am Freitag)

  2. Wendula sagt:

    Vielen Dank für deine Darstellung! Fragen an die Patriarchen incl. Giffey, die ja hier wieder Doktor ist (mhhh ja). Gab es dort eigentlich Kinderbetreuung, dass Mensch mit Kind kommen konnte? Wo wurde dazu aufgerufen?

  1. 1. März 2022

    […] *Jochen König sieht das anders. Anlass für seine teilweise berechtigte Aufregung war ein Gruppenfoto, auf dem fast ausschließlich Männer zu sehen waren. Als Teilnehmer weiß ich: Es waren relativ viele Frauen vor Ort, zur Aufnahmezeit des Fotos aber nicht mehr. Aus welchen Gründen, darüber wiederum könnte ich nur spekulieren. Die einzige auf dem Foto anwesende Frau Patricia Cammarata hatte auf ihrem Blog auf Königs Kritik reagiert. […]

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