Abendliche Veranstaltungen und die Frage der Kinderbetreuung
Letzte Woche wäre ich gerne zu einer Veranstaltung gegangen. Es sollte um Geschlechterrollen und Kindererziehung gehen. Die Veranstaltung war Teil einer Reihe. Organisiert von den Naturfreunden Berlin. Beginn aller Veranstaltungen jeweils 19.30 Uhr. Ich war schon vorher bei zwei Veranstaltungen dieser Reihe. Beide sehr spannend. Zum Thema „Rollenaufteilung: Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd!“ war ich selbst als Gast geladen und habe von meiner Familie erzählt. Ich hatte Peter gefragt und er hat in der Zeit auf Fritzi aufgepasst. Ich kann mir keine_n Baby-/Kindersitter_in leisten. Deshalb frage ich zu solchen Gelegenheiten Freundinnen und Freunde. Allerdings gibt es viele solcher Gelegenheiten. Manchmal sind es weniger Gelegenheiten, sondern mehr oder weniger Pflichttermine, Arbeitstreffen oder Elternabende. Und ich möchte mir die Hilfsbereitschaft meiner Freundinnen und Freunde gut einteilen und manchmal lieber für die wichtigeren Termine aufsparen.
Ich muss für solche Abendtermine nicht nur eine Person finden, die Zeit hat und bereit ist auf Fritzi aufzupassen bzw. Fritzi ins Bett zu bringen, sondern das Kind muss auch mitspielen. An besagtem Abend vor ein paar Wochen hat es nicht so gut geklappt zwischen Peter und Fritzi. Es war sehr anstrengend für Peter und zwischendurch hatte das Kind so wenig Lust schlafen zu gehen, dass dafür sogar Peters Brille von der Nase geschlagen wurde. Ich bin sowieso nicht gut darin, um Hilfe zu fragen. Nach einem solchen Abend ist die Hürde Peter für einen bald darauffolgenden Abend wieder zu fragen noch etwas höher. Letzte Woche habe ich ihn also nicht gefragt. Und auch keine andere Freundin und keinen anderen Freund. Ich bin frustriert zuhause geblieben. Nach fünfeinhalb Jahren, in denen ich etliche solcher Veranstaltungen verpasst habe, bin ich manchmal immer noch frustriert und halte recht wenig von dem Vorschlag mich einfach damit abzufinden.
Wie Menschen überhaupt auf die Idee kommen, alle Veranstaltungen einer Reihe über Elternthemen auf 19.30 Uhr zu legen, verstehe ich nicht. Und dann beschweren sie sich regelmäßig, dass die Eltern in ihrem Umfeld plötzlich nicht mehr politisch aktiv und bei solchen Terminen nicht mehr zu finden sind. Die Veranstaltungen waren jedes Mal gut besucht, allerdings nicht so sehr von Eltern. Andererseits gibt es auch keine andere Zeit, die sich als Alternative eindeutig aufdrängt. Auch Eltern müssen oft arbeiten gehen und haben nicht alle um 11 Uhr Zeit, nur weil die Mehrzahl der Kinder da vielleicht in der Kita oder der Schule sind.
Am vergangenen Wochenende waren Suse, Micha von femilyaffair.de und ich eingeladen bei der Konferenz Antisexistische Praxen im Bethanien in Kreuzberg einen Workshop über etwa die Elternthemen zu veranstalten, mit denen sich auch die Veranstaltungsreihe der Naturfreunde beschäftigt hat. Fritzi war bei ihrer Mutter. Ich musste also ausnahmsweise kein Betreuungsproblem lösen. Bei einigen Konferenzen gibt es mittlerweile Kinderbetreuungsangebote. Ob die eher gut oder eher nicht so gut funktionieren, hängt jedoch sehr vom Alter des Kindes ab, von den Betreuungspersonen und von der konkreten Laune aller Beteiligten. Unser Workshop startete Samstag 15 Uhr und fand letztlich in einem Raum statt, an dessen Ende ein kleinerer Bereich halb durch einen Raumteiler abgetrennt war. Dort gab es Spiel- und Klettermöglichkeiten und es beschäftigten sich zwei Betreuer_innen mit den Kindern. Anders als bei vielen Betreuungsangeboten bei anderen Konferenzen, konnten die Kinder ihre Eltern jederzeit sehen und durch den Raum zu ihnen laufen.
Dieses Setting ist sicherlich nicht die Lösung für alle Veranstaltungen, es gäbe an dem Konzept, das wir uns überlegt haben, sicherlich noch etwas zu verbessern. Es war laut und ich komme damit meist gar nicht gut zurecht und kann mich viel schlechter konzentrieren. Vielleicht lag das am Samstag aber auch vor allem daran, dass der Raum zu klein war für die mehr als 20 Teilnehmenden plus Kinder – in jedem Fall ist es besser als zuhause bleiben zu müssen. Und in jedem Fall ist es wichtig, sich gemeinsam darüber Gedanken zu machen, wo die Kinder hinsollen, während über Politik diskutiert wird und das Betreuungsproblem nicht jedem_jeder Einzelnen individuell selbst zu überlassen und somit viele von solchen Veranstaltungen auszuschließen. In der Auswertungsrunde bemerkte eine Teilnehmerin, dass sie in unserem Workshop einige Gesichter zum ersten Mal seit langer Zeit wiedergesehen habe. Seit sie Care-Verantwortung übernommen hätten, seien sie sich nicht mehr in einem solchen Kontext begegnet.
(auch auf die gefahr hin, dass ich anfange zu nerven: das thema hatte ich auch schon mal: http://maedchenmannschaft.net/reproduktion-und-partei-politisches-engagement/ ) lg, melanie
Über diesen Beitrag stolpere ich jetzt erst, dabei ist er schon ein Jahr alt.
Bleibt trotzdem relevant, diese abendlichen Veranstaltungen sind vergleichsweise schwierig. Warum das nicht aufs WE gelegt wird, frage ich mich da manchmal. Weil die Leute da auch „frei“ von jeglichem politischem Engagement haben wollen? Warum müssen die spannenden Themen immer unter der Woche, abends abgehandelt werden?
Btw., zur Vortragsbegleitenden Kinderbetreuung: Das ist eine Übungssache sowohl für Kinder als auch für Referenten und Teilnehmer. Die AFS macht das auf ihrem Stillkongress (afs-stillkongress.de) schon seit bald 30 Jahren so. Kinder sind immer mit dabei, Babys sowieso, ältere Kinder je nachdem. Es gibt eine getrennte Kinderbetreuung – aber die Kurse sind generell immer offen für begleitende Kinder. Man fuchst sich da rein, um damit zurecht zu kommen.
Wir sind allerdings gesellschaftlich gesehen gar nicht darauf eingestellt: In der Schule, Uni, bei Ausbildungsveranstaltungen usw. sind Kinder selbstverständlich NICHT dabei – selbst friedlich schlafende Babys werden erst nach langem zögern und nachdenken zu Vorträgen mitgenommen.