Wochenende, Sex und Familie (2)

Ich rufe Nora an, als ich vor der Haustür stehe. Die Kinder schlafen schon. Deshalb soll ich nicht an der Tür klingeln. Nora kommt runter und holt mich an der Straße vor dem Haus ab. Ich habe fünf Bier dabei, eins habe ich schon auf dem Weg getrunken. Wir setzen uns ins große und aufgeräumte Wohnzimmer, ich verteile das Bier und wir unterhalten uns über unsere Familien. Ich trinke deutlich schneller als die beiden.

Nora und Jan haben mich über ein Dating-Portal angeschrieben. Die beiden wohnen noch nicht lange in Berlin. Gemeinsam können sie wegen der Kinder nicht länger ausgehen. Manchmal kommt eine Babysitterin vorbei. Dann gehen sie in einer Bar um die Ecke was trinken. An diesem Wochenende hat die Babysitterin allerdings keine Zeit. Deshalb treffen wir uns direkt bei Nora und Jan zuhause.

Über einen Laptop läuft irgendein Kalkbrenner-Album. Nora und Jan erzählen mir von ihren beiden Kindern. Vom Ende der Elternzeit vor ein paar Wochen und der Eingewöhnung im Kindergarten. Sie erzählen mir von ihren Jobs. Von ihrer Hochzeit. Von ihrem Umzug nach Berlin. Die beiden sind beruflich erfolgreich. Das Haus, in dem wir sitzen, haben sie sich vor kurzem gekauft. Wir sprechen darüber, wie schwierig es sein kann, als Eltern mit zwei kleinen Kindern gleichzeitig noch Liebespaar zu sein.

Ich erzähle von meinen Kindern und den drei Müttern und auch wenn Nora und Jan meine Geschichte sichtlich fremd ist, so wirken sie doch ehrlich interessiert. Ich erzähle, dass ich gerade gar nicht weiß, wie eine Liebesbeziehung in mein Leben mit zwei Kindern passt. Wir sprechen über gesellschaftliche Bilder und Erwartungen im Kontext Elternschaft, Beziehung und Sex und wie es sich anfühlt, mit Mitte/Ende 30 und jeweils zwei Kindern keine Antwort darauf zu haben, wie das alles genau zusammenpassen soll. Wir sprechen über unsere unterschiedlichen Strategien, einen Umgang damit zu finden.

Wie funktioniert die Vereinbarkeit von Elternschaft und Liebesbeziehung? Wie können Beziehungen überhaupt dauerhaft funktionieren? Welche Rolle spielt Sex dabei? Und was ist, wenn sich das eigene Begehren nicht oder nicht ausschließlich auf den anderen Elternteil und nicht eindeutig auf ein Geschlecht richtet?

„Sollen wir es zusammen ausprobieren?“ fragt Nora. Wir nicken alle. Nora und ich fangen an, uns zu küssen. Jan schaut kurz im Kinderzimmer nach einem der Kinder, das sich übers Babyphone gemeldet hat. Zu zweit gehen wir schon vor ins Schlafzimmer. Als Jan auch dazu kommt, haben wir zwei uns bereits gegenseitig ausgezogen. Wir haben vorher besprochen, dass wir daran interessiert sind, dass alle Beteiligten miteinander interagieren. Es ist für mich nicht das erste Mal in einer solchen Konstellation zu dritt, aber das erste Mal auf diese Weise geplant und nicht als Resultat einer langen Partynacht. Ich fühle mich zwischendurch etwas überfordert mit den ganzen Händen und Körperteilen. Nora und Jan wissen ziemlich genau voneinander, was sie wollen. Sie wissen, wie sie sich gegenseitig anfassen und angefasst werden möchten. Ich fühle mich etwas unbeholfen und unsicher, aber nie unwohl.

Etwas später liegen wir nackt nebeneinander und unterhalten uns wieder über Berlin, unsere Kinder und unsere Jobs. Wir streicheln uns gegenseitig. Die Stimmung ist nett und liebevoll. Irgendwann nach Mitternacht wollen Nora und Jan schlafen. Ich gehe nach Hause. Am nächsten Morgen bekomme ich eine Nachricht, in der sich die beiden für die schöne Nacht bedanken.

(zum ersten Teil der Reihe geht’s hier)

2 Antworten

  1. Holla, die Waldfee! Wow, echt Hut ab vor deinem Mut, dich den diversesten Labels zu stellen. Und: Ich reihe dich ein in meine Liga der Sex-Einhörner. Gleich neben http://www.vice.com/de/read/ich-hatte-am-weltfrauentag-meine-erste-feministische-orgie-083?utm_source=vicefbde&utm_medium=link

    Und nun hätte ich auch gerne, dass sich meine Libido wieder mal meldet und die Beziehungsdramen mal verziehen. Hach. <3

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